Sans souci – Mein Rezept für Veränderung von unten

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SansSouci

Bevor ich zur Frage „Was wäre wenn es keinen Wettbewerb gäbe?“ schreibe, kommt erstmal noch ein Beitrag zu Veränderung im Unternehmen. Der Grund ist die haufe Gruppe, die zu einer Blogparade zum Thema Organisationsrebellen aufgerufen hat. In dem Artikel ist ein Tweet von mir erwähnt. Das hat mich natürlich motiviert, meine Erfahrungen als Unternehmenspirat zu teilen.

Haufe fragt: „Welche Tools und Methoden brauchen Querdenker?“. Zum Glück habe ich das Geheimrezept für erfolgreiche Organisationsrebellen gefunden:


1 kg Frust
2 EL Mut
1 Messerspitze Trotz
10 ml Vitamin B (alternativ ein Stück guter Draht zum Senior VP)

Die Mischung mit kochendem Wasser aufgießen, 10 Minuten ziehen lassen und täglich trinken. Und schon läuft das mit der Veränderung im Unternehmen.



Spaß beiseite! Ich meine es gibt sie nicht, die magische Wunderpille oder die Erfolgsmethode für Rebellen und Veränderung im Unternehmen. Wahrscheinlich muss jeder sein eigenes Rezept finden. Ich habe einen Leitsatz, stelle mir zwei Fragen und betreibe Guerilla Gardening. Bevor ich darauf näher eingehe, möchte ich aber noch was zum Begriff des Organisationsrebellen sagen.

Ähnlich wie Heiko Bartlog, gefällt auch mir der Begriff des Rebellen nicht. Außer während meiner Pubertät war ich meist recht angepasst unterwegs. Und Rebellion verbinde ich mit hohen Verlusten bis zum Bürgerkrieg. Ich finde es fraglich, ob das ein erstrebenswerter Zustand ist. Deswegen habe ich für mich das Bild des Piraten gewählt. Jemand der neue Wege geht, auf der Suche nach besserer Führung und wirtschaftlichem Erfolg in einem komplexen Umfeld. Bevor wir hier uns aber in Begrifflichkeiten verlieren, komme ich lieber zu meinem Leitsatz:

Frage nicht um Erlaubnis, bitte um Vergebung

Das Originalzitat stammt von Grace Hopper. Sie war Marineadmiral und eine der ersten Informatikerinnen, eine interessante Kombination. Die ersten Jahre meines Berufslebens habe ich aber genau das Gegenteil gemacht. Ich habe versucht meine Vorgesetzten und Kollegen von meinen Vorhaben zu überzeugen und erst wenn ich deren OK hatte, ging es an die Umsetzung. Mehr als einmal ging gar nichts vorwärts, denn es fanden sich ja meist „gute“ Gründe warum etwas nicht geht.

Irgendwann hat es dann mal klick gemacht bei mir. In den meisten traditionellen Organisationen ist Risiko nämlich nicht gerne gesehen. Denn dadurch gefährdet man seine Zielerreichung, die vielfach noch an einen Bonus gekoppelt ist. Und ihre mühsam erkämpfte Position in einer hierarchischen Organisation setzen viele auch nur ungern aufs Spiel. Ganz heikel wird es dann bei den Vorständen der Aktienunternehmen, die um die Gunst der Investoren buhlen. Die Anleger erwarten Rendite und keine Experimente. Derartige Organisationen greifen lieber auf Bewährtes zurück. Auf die Erlaubnis kann man daher meist lange warten. Mittlerweile frage ich also oft nicht mehr, sondern fange einfach an zu machen.

Warum ist das Motto von Grace Hopper aber so schwer umzusetzen? Warum machen nicht viel mehr drauf los und fragen stattdessen so oft nach Erlaubnis, bis sie ihr Vorhaben schlussendlich aufgeben? Für mich gibt es eine simple Antwort: ANGST! Und hier kommt die erste Frage ins Spiel.

Was ist das Schlimmste, das passieren kann?

Was also tun gegen die Angst? Auch ich hatte bis vor einigen Monaten noch diese Handbremse drin. Was die Handbremse konkret gelöst hat, kann ich nicht mehr sagen. Ich glaube das war eher so ein schleichender Prozess. Irgendwann habe ich angefangen mich zu fragen: „Was ist das Schlimmste was passieren kann?“. Eine Ansage vom Chef? Kann man schon mal riskieren. Irgendwann war ich dann soweit, dass ich auch vor dem Jobverlust keine Angst mehr hatte. Mein Netzwerk ist gut genug, dass ich im Fall der Fälle irgendwo zum Brötchen verdienen unterkomme.

SansSouci

Sans Souci

Im Februar war ich in Potsdam und habe mir das Schloss von Friedrich II. angesehen. Sans souci (deutsch: ohne Sorge) steht in dicken Lettern an der Fassade. Das war das Motto vom alten Fritz, wie Friedrich II. im Volksmund genannt wurde. Er war es, der notwendige Reformen im Königreich Preußen umsetzte. So baute er das Bildungssystem aus und begründete neue Industrien. Ich sehe ihn eher als role model für Organisationsrebellen als einen Che Guevara. Ohne Sorge die notwendigen Veränderungen angehen!

Wenn du morgen das Unternehmen verlässt, was würdest du heute weglassen?

Mancher hat aber vielleicht keine Sorge, sondern keine Zeit um was zu verändern. „Ich würde ja gerne, aber ich stecke so tief im Tagesgeschäft, dass keine Zeit mehr bleibt“. Ist das wirklich so? Ich glaube das ist eine Ausrede. Ich behaupte, dass sich jeder Zeit für notwendige Veränderungen nehmen kann. Was würdest du heute weglassen, wenn du morgen das Unternehmen verlassen würdest? Ich glaube da fallen einige Tätigkeiten weg.

Schau doch mal in deinen Kalender. Welches Meeting ist furchtbar langweilig und hat die letzten Male kein Ergebnis erzielt? Oder was ist mit der Telefonkonferenz, in die du dich einwählst um Informationen zu kriegen? Ist sie wirklich mission critical oder liegt hier eher FOMO (Fear of missing out) vor. Die nötigen Informationen kann man sich erfahrungsgemäß auch effektiver besorgen. Ich konnte mir dadurch 1-2 Stunden pro Woche freischaufeln und das ist sicherlich noch nicht das Ende der Fahnenstange.

Im Untergrund bleiben? Guerilla Gardening!

Bleibt abschließend noch die Frage, ob man als Rebell im Untergrund bleiben sollte. Marcus Raitner empfiehlt so lange wie möglich im Untergrund zu bleiben, um das Immunsystem der Organisation nicht zu wecken. Wenn man im Bild bleibt, müsste man ja eher von einer Allergie sprechen. Und da kann eine Hyposensibilisierung (also die kontrollierte Aktivierung des Immunsystems) durchaus hilfreich sein. Vielleicht wäre das mal einen extra Post wert.

Equipment

Gardening | Source: Pixabay CC0

Ich möchte an dieser Stelle ein anderes Bild bemühen, nämlich das eines Gärtners. Ein Organisationsrebell ist für mich mit einer Schubkarre voll Humus und Samen unterwegs. An den entsprechenden Stellen im Unternehmen bringt er etwas Humus aus und setzt ein paar Samen. Natürlich wird man das nicht am prominentesten Platz tun. Denn da ist gleich die Stadtreinigung da und macht es wieder weg. Ich denke deshalb empfiehlt Marcus im Untergrund zu bleiben. Aber ganz ohne Sonnenlicht und öffentliche Pflege können die Graswurzeln weder wachsen noch finden sich leicht Mitstreiter. Guerilla Gardening ist angesagt! Wo ist die Ecke in Euren Unternehmen, die eine Schaufel voll Humus verträgt und wo die Kehrmaschine nicht regelmässig hinkommt?

Mein Rezept in der Zusammenfassung

Hier also nochmal mein „Rezept“ in der Zusammenfassung für Piraten und Organisationsrebellen:

  • Frage nicht um Erlaubnis, bitte um Vergebung
  • Was ist das Schlimmste, das passieren kann?
  • Wenn du morgen das Unternehmen verlässt, was würdest du heute weglassen?
  • Werde zum Guerilla Gärtner! Schnapp dir die Schubkarre mit Humus und Graswurzelsamen.

Ich würde mir wünschen, dass mehr Unternehmen dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter ohne Sorge neue Wege gehen können und auch den entsprechenden Freiraum in Form von Zeit und Equipment („Schubkarre mit Humus“) zur Verfügung stellen.

Eines braucht es aber noch: Durchhaltevermögen. Wie beim Herren im Video, steht man am Anfang recht lange alleine da und wird vermutlich auch belächelt. Aber irgendwann tanzen sie alle mit 😉

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Video-Link: https://youtu.be/GA8z7f7a2Pk