Eigentlich hatte ich ja meine Gedanken zum Thema #NewPay in den Posts #NewPay – Bälle statt Rubel rollen lassen und #NewPay – Let’s play! schon vollständig niedergeschrieben. Aber dann kam Gregor Ilg mit seinem Artikel Faires Gehalt für alle! um die Ecke. Und was soll ich sagen, er hat einen so genialen Pass gespielt, dass ich nicht anders kann und den nochmal aufnehmen muss. Also kommt hier nochmal ein Extrapass in der Crunchtime (die letzten Minuten eines Spiels), denn die Blogparade endet ja am 31. Oktober.
Ich finde das Gedankenexperiment von Gregor extrem spannend und einen gelungenen ersten Wurf. Es braucht vielleicht noch die ein oder andere Iteration um zu reifen. Für mich steckt aber extrem viel Potential in seinem Vorschlag und ich könnte mir vorstellen, dass daraus das Entlohnungsmodell der Zukunft wird. Was sind die Vorteile dieses Modells? Worüber müsste man nochmal nachdenken? Was könnten erste Schritte zur Umsetzung sein? Los geht’s mit meinem Extrapass.
Was sind die Vorteile dieses Modells?
Als erstes hat mich an Gregor’s Modell die Flexibilität angesprochen. Wie man vielleicht in früheren Artikeln schon lesen konnte, bin ich überzeugt dass flexiblere Arbeitsmodelle unsere Welt besser machen (ermöglichen z.B. mehr Zeit für Kinder und gesellschaftliches Engagement). Die 40 Stunden Woche wird ja bereits vielfach hinterfragt und neue Formen der Arbeit enstehen, wie beispielsweise bei tandemploy. Warum nicht einfach selbständig machen? Wer Familie hat, setzt die Existenzsicherung eben nicht mal schnell aufs Spiel. Und genau hier setzt das Modell mit seinem „Grundeinkommen“ an. Nachdem bei den staatlichen Modellen noch viele Fragen ungeklärt sind, vor allem die der Finanzierung, wird es wohl noch eine Weile dauern bis die Existenzsicherung anderweitig gelöst ist.
Flexibilität für Mitarbeiter ist ja schön und gut. Aber was hat ein Unternehmen davon? Eine ganze Menge! Denn durch das Modell wird echte Wertschöpfung gefördert. Seien wir doch mal ehrlich, in vielen Unternehmen wird heute durch „alignments“, reporting und Businesstheater eine Unmenge an Blindleistung generiert. Wenn die Teilnahme an den entsprechenden Theatervorstellungen nicht mehr bezahlt wird, gehen hoffentlich nicht mehr so viele hin und stattdessen zurück an die Arbeit. Das Modell kann sich also signifikant positiv auf das Geschäftsergebnis auswirken.
Konsequent weitergedacht verschwindet dann auch interne Planwirtschaft und viele lokale Optima. Damit das Modell funktioniert, müssen sich interne Dienstleistungen aber dem externen Wettbewerb stellen. Ansonsten würde ich ja für meine interne Dienstleistung einfach Mondpreise aufrufen, denn das steigert ja mein Gehalt. Zu diesem Thema sei das Buch Komplexithoden von Nils Pfläging empfohlen. Er beschreibt dort die Trennung von Peripherie und Zentrale (interne Dienstleistungen).
Worüber müsste man nochmal nachdenken?
Bei all den Vorteilen die Gregor beschrieben hat und die ich sehe, sind mir aber auch einige Punkte eingefallen, über die man nochmal nachdenken müsste.
Mein erster Punkt ist die Höhe des Grundgehalts. 1500 EUR für 4 Arbeitstage pro Monat klingt erstmal extrem hoch. Der gesetzliche Mindestlohn beträgt gerade 8,84 EUR pro Stunden. Nehmen wir an wir haben 20 Arbeitstage mit je 8 Stunden Arbeitszeit, ergäbe das gerade mal 1414 Euro. Wieviele Unternehmen würden da wohl mitmachen? Auf der anderen Seite kann man das Grundgehalt aber auch nicht viel niedriger ansetzen. In der Region München kann man sonst nicht mehr von Existenzsicherung sprechen. Muss man das Grundgehalt vielleicht sogar regional unterschiedlich machen? Sicherlich ist das ein Stück weit eine Milchmädchenrechnung. Die Vorteile des Modells sind ja nicht eingepreist. Mit derartigen Argumenten wird man sich jedoch auseinandersetzen müssen.
Die zweite Frage die ich mir gestellt hatte, betrifft die Verteilung und Partizipation am Ergebnis. An der Leistung für den Kunden sind ja üblicherweise mehrere Personen beteiligt. Wer partizipiert zu welchem Anteil? Erzwingt dieses Modell vielleicht internen Wettbewerb um jeden Preis oder lokale Optima? Würde wir ähnliche Symptome wie bei Bonuszahlungen im Vertrieb sehen? Ich denke hier helfen die Überlegungen von Alexander Gerber in Wer bekommt’s weiter.
Der dritte Punkt ist die Auswirkung auf Verantwortlichkeiten und Prozesse. Wenn ich dieses Modell konsequent anwenden will, muss ich den Mitarbeitern mehr unternehmerische Freiheit zugestehen. Sie haben ja schließlich auch mehr unternehmerische Verantwortung. Das heißt sie müssen Prozesse und sogar Strategie ändern dürfen. Aber wie weit kann und will ich hier gehen? Genau zu diesem Thema gab es auf dem #dreiCday einen spannenden Vortrag zum Thema Eigenverantwortung.
Je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr Fragen fallen mir ein. Wie weit stehen der Einführung dieses Modells Unternehmenskennzahlen im Weg? Bei mir im Unternehmen wäre headcount sicherlich eine signifikante Hürde. Das Modell würde nämlich dazu führen, dass ich paar Leute mehr einstellen müsste. Auch wenn in Summe die Personalkosten nicht höher werden würden.
Man sieht also schon, dass dieses Modell ziemlich disruptiv ist. Das Piratenherz schlägt da gleich höher. Lassen wir es also mit den Fragen und wenden uns ersten Schritten der Umsetzung zu.
Was könnten erste Schritte zur Umsetzung sein?
Das Modell kann aufgrund der vielen Fragen und seines disruptiven Charakters wahrscheinlich nur schwer als „big bang“ eingeführt werden. Also warum nicht iterativ vorgehen und nach „lean startup“ Teile des Modells im Experiment verproben?
Wie könnte eine erste Iteration aussehen? Ich glaube das muss jeder selbst für seinen Kontext beantworten. Man fängt vielleicht mit einer Gewinnbeteiligung an? Alle das Gleiche oder anteilig am Gewinn eines Produkts oder einer Produktlinie? Probieren geht über studieren. Oder man probiert das mal mit der internen Wertschöpfung.
So und jetzt seid ihr dran. Wer nimmt den Pass auf?