Schatzkiste 135 – Scannerpersönlichkeit

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Schatzkiste135 - Scannerpersönlichkeit

Im März 2021 hatte ich die Gelegenheit auf einem Panel von PANDA | The Women Leadership Network zum Thema „Die Mobilität der Zukunft – Wie funktioniert die Transformation von Zusammenarbeits- und Führungsmodellen” sprechen. Beim anschließenden Netzwerken bekam ich ein paar spannende Fragen von Kristina Schuster, auf die ich keine Antwort hatte. Ist es sinnvoll, Generalist:in zu sein? Wieso steht in vielen Stellenanzeigen interdisziplinäres Denken, gesucht werden aber Spezialist:innen? Wie findet man Jobs, die interdisziplinäres Denken wirklich schätzen? Ich fand das Thema spannend und parkte es erstmal auf dem Themenspeicher für die Schatzkisten.

Nach LinkedIn-Posts von Su Reiter zu Scannerpersönlichkeiten und Cathy Zimmermann, die ebenfalls das Video aus Nugget #1 vorschlugen nahm die Schatzkiste langsam Gestalt an und hat schließlich sogar die geplante Schatzkiste zu Digital Ledger Technologie überholt. Die Schatzkiste 135 zeigt die Vorteile von Scannerpersönlichkeiten, warum wir in Zeiten globaler Krisen mehr Generalist:innen brauchen können und was unsere Gesellschaft von Roger Federer lernen kann. Happy watching and reading! Und wenn du dich in den Zeilen irgendwo wiederfindest, freue ich mich über Post von dir – ganz egal ob per Email, Kommentar unter diesem Post, soziale Medien, Telefon oder Postkarte.

Nugget #1 – Welche Vorteile haben Scannerpersönlichkeiten?

13 min

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Selten habe ich mich von einem TED Talk mehr angesprochen gefühlt wie dem von Emilie Wapnick. Auch wenn ich wenig Probleme hatte, mich während der Kollegstufe für ein Studium und entsprechendes Berufsfeld zu entscheiden, die ersten Anzeichen „dass etwas nicht stimmt“ gab es in Retrospektive bereits da. Aber dazu später mehr. Erstmal viel Spaß mit dem unterhaltsamen TED Talk. Alleine dass sich die Gruppe der Generalisten nicht auf einen Namen festlegen kann, hat für einen andauernden Lachanfall gesorgt:

Die drei Super-Powers von Multipotentialites kann ich nur unterschreiben. Vorhang auf für meine persönliche Lobeshymne an Multipotentialites:

Multipotentialites rocken Innovation

In der Virgin Group von Richard Branson gibt es das A-B-C-D Prinzip: Always be connecting the dots. Scannerpersönlichkeiten können durch ihre vielseitigen Interessen eben besonders viele Dots verknüpfen. Dadurch entsteht Neues und in Folge Innovation. Durch den Einblick in unterschiedliche Themen und Fachgebiete werden so Lösungen von einer Welt in die andere transferiert und adaptiert. Vor einigen Jahren besaß noch jeder CDs und DVDs. Die Streamingdienste haben die Hardware aus unseren Wohnzimmern verbannt. Die Automobilindustrie steht vor einer ähnlichen Herausforderung. Macht es nicht Sinn für Unternehmen der Automobilbranche, Menschen mit Interesse an Streamingdiensten und Mobilität anzusprechen?

Multipotentialites sind lebenslange Lerner

Lebenslanges Lernen wird heute an allen Ecken gepredigt. Aber Hand aufs Herz, wie ernst meinen wir es wirklich damit? Wie oft geben wir Menschen eine Chance sich in ein neues Thema reinzufuchsen? Viel lieber suchen wir doch die Experten, die Menschen die schon paar Jahre Erfahrung im Thema mitbringen.

Ich hatte in meinem Leben nie das Ziel in die Themen Einkauf und nachhaltige Lieferketten einzusteigen. Dass ich mir mal freiwillig ein Gesetz wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (wow, was für ein Wort) durchlesen würde, hätte ich auch nicht gedacht. Trotzdem bin ich dankbar dafür was ich in den letzten 2,5 Jahren dazu gelernt habe. Ich behaupte mein Arbeitgeber hat ebenfalls davon profitiert, dass ich ein neues Thema aufsauge wie ein Schwamm. So sind Multipotentialites eben. Wenn sie bei einem neuen Thema Blut geleckt haben, wird alles konsumiert was sie dazu in die Finger kriegen.

Multipotentialites sind Meister der Veränderung

Ich glaube das FAST Magazine hat gar nicht so unrecht, wenn es behauptet Anpassungsfähigkeit ist die wichtigste Eigenschaft im 21. Jahrhundert. 7 von 8 der Kerntätigkeiten einer Bankkauffrau sind heute automatisierbar. Was solls, denkt sich die Multipotentialite. Die eine Kerntätigkeit kann sie ja weitermachen und hat endlich die Zeit, die anderen sieben Interessen weiterzuverfolgen.

Auch in Zeiten globaler Krisen kommen Multipotentialites leichter durch die Veränderung, wie Nugget #2 eindrucksvoll beschreibt. Wenn in Zeiten von Pandemien die Gastronomie im Lockdown ist, zahlt sich z.B. aus wenn Gastronomie eben nicht das einzige Thema ist, mit dem man Geld verdienen kann.

Nugget #2 – Warum globale Krisen Neo-Generalisten brauchen?

8 min

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Gut durch das Corona-Jahr 2020 ist Meike Neitz gekommen. Acht ihrer Learnings teilt sie in einem Bericht über ihr Corona-Jahr vor:

„Mit mir ist es komisch. Ich kann so viel!“

Ich habe mir mal drei Zitate aus diesem Artikel und ihrem Neo-Generalisten-Artikel von 2019 herausgeklaubt, die gut zeigen warum globale Krisen Neo-Generalisten brauchen.

Henry Ford – Von schwarz zu bunt

Ausgerechnet von Henry Ford, der seinen Kunden ein Auto in jeder Farbe versprach – Hauptsache es ist schwarz, stammt folgendes Zitat:

Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer der, der er schon ist.

Henry Ford

Nur die Auswahl aus „schwarzen Autos“ hatte ich damals bei der Wahl einer Studienrichtung nicht. Trotzdem war mein Bild einer Karriere noch relativ eindimensional. Ich habe mich für Technik interessiert, wollte aber auch irgendwas mit Menschen machen. Der Berufsberater schlug einen Ingenieursstudiengang oder Berufsschullehramt vor. Zweiteres würde schließlich beide Welten vereinen. Eine Karriere im Dienste des Staates fand ich allerdings nicht so attraktiv und so wurde es eben das Elektrotechnik-Studium. Verrückte Ideen und viel Kreativität hatte ich damals schon, das floss aber nicht unbedingt in die Wahl ein. Nach dem Studium merkte ich aber irgendwann, dass es bei mir nichts mit dem Spezialistentum wird. Ich wollte nie der beste Entwickler sein, der Patente sammelt und die besten Chips entwirft.

So wurde das Zitat von Henry Ford irgendwann auch mein Motto und der Blumenstrauss an Themen wuchs. Durch die Führungskräftelaufbahn erfüllte sich irgendwann der Wunsch etwas mit Menschen zu machen. Definitiv eine der besten Entscheidungen in meiner Karriere. Wenn ich mir anschaue was sich sonst noch so an Erfahrungen angesammelt hat, kann ich eigentlich stolz sein. Agile Transformation versucht, Hackathon veranstaltet, Bücher geschrieben sind nur einige der Projekte und Themen. Genug habe ich noch nicht. Und so werde ich auch nicht der bleiben, der ich aktuell bin.

Pippi Langstrumpf – Mutig ins Neue

Das habe ich noch nie gemacht, also bin ich mir sicher, dass ich das kann!

Pippi Langstrumpf

Dieses Zitat steht auch als Widmung in meinem Exemplar des Buchs „Graswurzelinitiativen in Unternehmen: Ohne Auftrag – mit Erfolg“. Neo-Generalisten sind perfekte Graswurzel-Gärtner, die neben ihrer eigentlichen Aufgabe ein neues Thema im Unternehmen aus der Mitte vorantreiben können. Über meine Graswurzel-Initiative, den „Innovation Club“, habe ich bereits hier auf dem Blog berichtet. Weitere Beispiele von Graswurzel-Gärtner:innen findest du im „Kluges aus der Mitte“ Podcast.

Warum Neo-Generalisten krisen-robust, wenn nicht sogar antifragil sind, beantwortet die Natur. Genau wie Mischwälder besser mit den Folgen des Klimawandels zurechtkommen, kommen Neo-Generalist:innen besser durch Krisen, wie der Artikel von Meike Neitz wie auch die Beispiele aus dem TED Talk von Emilie Wapnick beweisen.

Friedrich Schiller – Vom Zufall zum Bildhauer

Als großer Fan des Zufalls hat mich natürlich folgendes Zitat am meisten angesprochen:

Ein Zufall nur? Vielleicht auch mehr – Und was ist Zufall anders als der rohe Stein,
der Leben annimmt unter Bildners Hand?

Friedrich Schiller

Manche meiner Interessen und viele meiner Projekte entstanden aus Zufällen. Durch Zufall bin ich auf die Mutbank gestossen und habe in Folge regelmäßig gebloggt. Auch das Handbuch der Entscheidungen entstand im Endeffekt aus einer Twitterlaune. Meine aktuelle Position bei Brose lief mir zufällig als Stellenanzeige bei XING über den Weg. Auch das Thema nachhaltige Lieferketten ist nicht Teil eines Masterplans sondern ergab sich im Endeffekt aus einer Teamdiskussion, in der ich zu bedenken gab, dass Nachhaltigkeit auch als Chance verstanden werden kann.

Um im Bild von Schiller zu bleiben, Scannerpersönlichkeiten fallen ständig kleine Lego-Steinchen in die Hand. Meist ist man angefixt, sucht sich weitere passende Steine und es wird ein Modell draus. Manchmal spielt man nur ein bisschen, parkt es oder legt es auch wieder weg, weil ein anderes Steinchen viel bunter glitzert. Das einzige Manko am Leben einer Scannerpersönlichkeit ist, dass man inmitten der vielen bunten Steine gerne mal den Fokus verliert und sich zu viele Projekte aufbürdet.

Nugget #3 – Was können wir von Roger Federer lernen?

18 min

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On top dieser Schatzkiste lege ich noch einen long read. In dieser Kategorie veröffentlicht der Guardian täglich einen etwas ausführlicheren Artikel oder Podcast. Normalerweise liegt der Guardian nicht auf meiner Beuteroute. Daher vielen Dank an Lisa Rosa für den Catch. David Epstein vergleicht in seinem Artikel:

Generalise, don’t specialise: why focusing too narrowly is bad for us

die Karrieren von Tiger Woods und Roger Federer. Roger Federer war dabei ein ziemlicher Spätzünder und versuchte vorher viele Sportarten. Was wäre wenn wir in bestimmten Positionen nicht die Spezialisten mit den geradlinigen Karrieren haben, sondern Menschen die erstmal viele verschiedene Dinge versuchen bevor sie sich auf eine Rolle fokussieren?

Vom Krankenhausclown zum CEO?

Was wäre wenn wir CEOs nicht aus dem eigenen Unternehmen rekrutieren? Klar, es gibt Unternehmen, da kommen CEOs über unterschiedliche Bereiche in ihre Rolle. Es ist also kein reines Spezialistentum. Was wäre, wenn die CEOs aber vorher in komplett anderen Kontexten unterwegs gewesen wären? Wie wäre es zum Beispiel mit einem Krankenhausclown als Geschäftsführer eines Unternehmens.

Der weiß wenigstens wie man Theater spielt und steht dazu. Mit Sicherheit spricht er auch nicht von Ressourcen sondern von Menschen. Außerdem sorgt er dafür, dass Menschen während Zeiten der Veränderung nicht das Lachen vergeht. Vielleicht wäre es auch nicht schlecht, wenn der CEO als Krankenhausclown antritt. Die Erkenntnis was wirklich wichtige Themen sind, wäre sicher garantiert.

Von der LKW-Fahrerin zur Bundeskanzlerin?

Schauen wir uns mal die drei Kanzlerkandidat:innen bei der aktuellen Bundestagswahl an, sehe ich auch eher Spezialistentum. Da finden sich zwar kurze Phasen als Journalisten oder Anwälte vor der Laufbahn als Berufspolitiker. Von Generalisten kann da aber nicht die Rede sein. Was wäre, wenn im Lebenslauf einer zukünftigen Politikerin eine Phase als LKW-Fahrerin stehen würde? Grenzen überschreiten und andere Kulturen kennenlernen wäre sicherlich von Vorteil. Reisetätigkeit und von der Familie getrennt sein, wären auch kein Problem. Entscheidungen treffen und termingerecht abliefern hat sie auch bewiesen.

Von der Bildhauerin zur Professorin für Betriebswirtschaft?

Es ist ja nicht so, dass sich die Betriebswirtschaftslehre nicht auch weiterentwickelt. In Schatzkiste 131 gab es genug Beispiele, dass auch die BWL innovativ sein kann. Trotzdem fände ich es spannend, wie wohl eine Bildhauerin Betriebswirtschaft lehren und weiterentwickeln würde. Würde sie Wert auf Gestaltung statt Verwaltung legen? Was würde sie Neues erschaffen aus den in Stein gemeißelten Theorien des letzten Jahrhunderts?

Extra-Nugget – Was ist Polywork?

7 min

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Bei einer Schatzkiste über Scannerpersönlichkeiten kann unmöglich bei drei Nuggets Schluss sein. Deswegen gibt es hier noch den Hinweis auf ein neues soziales Netzwerk, das sich zum Eldorado für Scannerpersönlichkeiten entwickeln könnte – Polywork. Andreas Weck von t3n hat sich das New Kid on the Block schon mal näher angesehen:
Herausforderer: Wird Polywork das Linkedin der Millennials und Gen Z?

Auch wenn ich weder Millenial noch GenZ bin (naja gefühlt manchmal schon), ich musste mich natürlich gleich anmelden. Bisher gefällt es mir ganz gut. Es ist bunt. Etwas unübersichtlich. Aber vor allem mehrdimensional. Genau wie wir Scannerpersönlichkeiten halt so sind.

Wenn du auch mal einen Blick in den Multiverse und die Spacestation werfen willst, mit einem Einladungscode kommst du schneller rein. Ich habe wieder Neue über. Also schreib mir, wenn du gerne einen hättest.