Tischlein deck dich – Was wir von den Gebrüdern Grimm lernen können

Tischlein deck dich

Bei meinen Thesen zur neuen Wirtschaft konnte man ja schon sehen, dass mich die Themen Digitalisierung und Bildung gerade umtreiben. Deswegen hat Markus Metz mit seinem Tweet gleich zwei Nerven bei mir getroffen:

Irgendwie kam mir dabei das Märchen „Tischlein deck dich“ in den Sinn. Vielleicht liegt es daran, dass mir meine Kinder tags zuvor das Märchen vom „Hans im Glück“ erklärt haben? Wem das Märchen nicht mehr geläufig ist und die verlinkte Version zu lange ist, dem sei die Zusammenfassung auf Wikipedia zur Auffrischung empfohlen.

Was aber soll das Märchen mit den Themen Bildung, Digitalisierung und Energiewende zu tun haben? Die Gebrüder Grimm konnten dies ja wohl kaum voraussehen. Der ein oder andere meiner Vergleiche mag vielleicht etwas hinken. Dennoch können wir vom Märchen der Gebrüder Grimm Einiges lernen.

Tischlein deck dich

Tischlein deck dich

Der Schneider und die Ziege – Deutschland und beispielhaft die Automobilindustrie

Ich mag hier sicherlich kein Automobilindustrie-Bashing betreiben. Manche Unternehmen haben möglicherweise die Zeichen der Zeit erkannt. Dennoch hat mich die Ziege im Märchen sofort an die deutsche Lieblingsbranche erinnert. Sie ist satt und jammert dem Vater(-land) vor, wie schlecht es ihr doch geht. Ihnen fallen vielleicht auch noch andere Branchen ein, auf die der Vergleich ebenfalls zutrifft.

Das Tischlein deck dich – Die Energiewende

Dass fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas endlich sind, wird wohl niemand bestreiten. Die Meinungen über das Ende der Verfügbarkeit gehen allerdings weit auseinander. Wikipedia spricht von maximal 200 Jahren. Doch auch wenn es noch viele versteckte Vorkommen gibt, die Kosten für deren Erschließung werden vermutlich um einiges höher sein als für die vorhandenen Förderstätten. Steigende Preise sind also vorprogrammiert. Viel schwerwiegender ist allerdings die Auswirkung auf die Umwelt. Globale Erwärmung durch CO2 als Verbrennungsprodukt fossiler Rohstoffe wird leider noch von einem gewissen Herrn T. aus W. im Norden Amerikas angezweifelt. Die Forschung ist sich aber ziemlich einig.

Regenerative Energien kommen einem „Tischlein deck dich“ schon ziemlich nahe. Natürlich müssen wir erstmal kräftig in das Tischlein in Form von Photovoltaik, Wind- und Wasserkraftanlagen investieren. Und das Tischlein ist leider auch nicht so transportabel wie in Grimm’s Märchen. Trotzdem versorgt es uns unerschöpflich mit Energie. Für mich hat diese Form der Energie definitiv die Nase vorne. Also lasst uns gemeinsam Tischlein bauen und unsere Schreinerkünste verbessern. Dann werden wir es hoffentlich irgendwann wie der älteste Sohn überall aufstellen können.

Der Goldesel – Die Digitalisierung

Den Esel bei dem vorne und hinten Gold raus kommt wird es auch durch die Digitalisierung nicht geben. Viele sehen die Digitalisierung ja eher als Bedrohung. Maschinen und Algorithmen werden viele Jobs wegnehmen und in Folge dessen wird für viele das Gegenteil des Goldesels eintreffen – Massenarbeitslosigkeit und Armut. Das Gold sprudelt dann nur noch für die Besitzer der Esel (=Maschinen und Algorithmen). Wie in einem meiner früheren Artikel beschrieben, wird uns die Digitalisierung meiner Meinung nach aber näher an die paradiesischen Zustände des Grimm’schen Märchens bringen. Es braucht auch in Zukunft Menschen die „Esel“ züchten, pflegen und füttern. Dies wird vielen ihren Lebensunterhalt sichern. Maschinen und Algorithmen werden uns schwere körperliche Arbeit und langweilige Routinetätigkeiten abnehmen. Die freigewordene Kapazität können wir dann in neue Aufgaben stecken, wie z.B. die Forschung am transportablen Tischlein. Eine Errungenschaft der Digitalisierung haben die Gebrüder Grimm auf alle Fälle vorhergesagt: Das Tätigen von Geldgeschäften per Sprachsteuerung. „Bricklebrit!“ 😉

Der Knüppel aus dem Sack – Die Bildung

Der Vergleich mag jetzt vielen komisch vorkommen. Es geht hier auf keinen Fall um die Wiedereinführung der Prügelstrafe. Wo sind also die Parallelen mit dem Knüppel des jüngsten Sohnes? Ich sehe mindestens drei.

Erstens war der Knüppel im Sack von den drei Geschenken das Reizloseste. Genauso verhält es sich auch mit der Bildung. Für viele ist Bildung heute reizlos, langweilig, angestaubt. Auch in der öffentlichen Diskussion kommt die Bildung oft zu kurz. Dieselaffären, PKW-Maut, Flüchtlings- und Bankenkrisen stehlen der Bildung oft die Show.
Zweitens war der Knüppel der heimliche Star der Geschichte. Ohne ihn wären Tischlein und Goldesel verloren gewesen. Bildung hilft, dass in Zukunft niemand mit Tischlein und Goldesel Unfug treibt. Sie hilft aber auch neue Goldesel zu finden.
Die dritte Parallele finde ich aber die Wichtigste. Der jüngste Sohn erlernte ein kunstreiches Handwerk und musste am längsten lernen. Am Ende war jedoch er der Held der Geschichte. Bildung heißt heute nicht nur Schule, sondern lebenslanges Lernen. Deshalb sollten wir viel Zeit und Energie auf dieses kunstreiche Handwerk spendieren.

Und die Moral von der Geschicht?

Was ist nun die Moral von der Geschicht? Nun, da mag jeder seine eigenen Lehren draus ziehen. Für mich gibt es zwei wichtige takeaways.

  1. Wir müssen uns wie die drei Söhne auf die Reise machen um Neues zu lernen. Dann werden wir auch mit Geschenken in Form von Fortschritt belohnt. Ob wir uns wie im Märchen auf die Reise machen, nachdem es weh tut? In vielen Fällen wahrscheinlich schon.
  2. Wir müssen uns von der ein oder anderen „Ziege“ verabschieden. Auch wenn sie uns bis jetzt (gut) ernähren, lenken sie uns von Wichtigem ab.

Was ist deine Moral von der Geschicht?

Wie das Happy End auch im realen Leben gelingt

Das Märchen der Grimm’s schließt für die Schneiderfamilie mit einem Happy End. Jeder Einzelne von uns kann für ein Happy End im realen Leben sorgen:

  • Es muss ja nicht gleich das eigene Windrad oder Photovoltaikanlage sein. Auch ein E-Auto mag für manchen nicht realisierbar sein. Aber wir können den Stromanbieter wählen, bewusst mit Energie umgehen oder das Auto mal stehen lassen.
  • Nutzt die Vorteile der Digitalisierung statt sie als Gefahr anzusehen und deswegen zu ignorieren oder sogar zu bekämpfen. Warum nicht Erfahrungen in Form eines Blogs weitergeben? Oder wer etwas mutiger ist, nutzt die geringere Einstiegsbarriere und gründet? Wo könnt ihr im Arbeitsleben Abläufe automatisieren und dadurch Freiräume schaffen, um die Probleme dieser Welt zu lösen?
  • Bildung ist nicht alleine Aufgabe der Schulen und Universitäten. Es fängt bei jedem von uns an, sich ein Leben lang weiterzubilden. Unterstützt die Schulen, z.B. bei Vermittlung von Medienkompetenz oder MINT Programmen. Wer noch mehr will, gründet und unterstützt alternative Schulen.

Wir können auch politisch die Weichen für ein Happy End stellen. Nachdem dieser Artikel sechs Tage vor der Bundestagswahl erscheint: Geht wählen! Unterstützt die „Schreiner, Müller und Drechsler“. „Meckernde Ziegen“ bringen unser Land nicht weiter.