Ich bin dann mal weg…

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Women looking on a map

Ich habe nicht im Lotto gewonnen. Die Midlife-Crisis ist auch noch nicht so weit fortgeschritten, dass ich aussteige. In der Coronazeit klappt vermutlich noch nicht mal eine Pilgerreise auf dem Jakobsweg, wie im gleichnamigen Buch. Nein, hier geht es um die Nachlese meiner Session beim PMCamp Berlin. „Wie macht sich ein Unternehmen auf die Reise in die Zukunft?“. Vorab habe ich mir zu dieser Frage bereits hier auf CompanyPirate Gedanken gemacht. In der Session gab es jede Menge zusätzliche Impulse, die ich in den letzten Tagen und Wochen recherchiert habe. Während der Recherche sind dann noch einige weitere Gedanken hinzugekommen. Deswegen habe ich mich entschlossen, aus der Session-Nachlese eine Mini-Blog-Serie zu machen.

Heute geht es um die Frage. Wo soll die Reise hingehen? Menschen im Unternehmen merken, es muss sich was verändern. Irgendetwas passt nicht mehr so richtig. Wir müssen uns auf den Weg machen. Wir sind dann mal weg. Aber wohin sollen wir gehen? Anhand drei beispielhafter Szenen arbeite ich die Impulse meiner Sessionbesucher auf.

Wir müssen uns verändern!

Die da oben gegen die da unten.

Ähnliche Szenen haben sich in den letzten Jahren und Monaten in vielen Unternehmen abgespielt. Das Geschäft stagniert oder bricht ein. Die Organisation passt irgendwie nicht mehr richtig. Mancher ruft nach einer Kulturveränderung. In einigen Organisationen hat die Pandemie das Geschäft nahezu zum Erliegen gebracht. Von einer Reise in die Zukunft wollen die meisten dann erstmal nichts wissen. Der Fokus liegt auf dem Heute. Überlebensmodus ist angesagt. Trotzdem muss sich das Unternehmen verändern, wenn es überleben will. Aber wo soll die Reise hingehen?

Der erste Vorschlag kommt von Lars Richter. Lass doch die Mitarbeiter des Unternehmens das Wissen mit einer Wardley Map kartografieren. Wardley was? Lars hat gutes Material zu Wardley Maps auf seiner Website. Wer des Englischen mächtig ist, dem empfehle ich zusätzlich das Buch von Simon Wardley himself auf Medium. Ich bin noch nicht durch, denn es enthält 19 Kapitel mit bis zu 72 min Lesezeit. Im ersten Kapitel wird aber eine ähnliche Szene wie im Bild oben beschrieben:

Internally we had communication issues and frustration over direction and organisation.

Eigentlich liegt ja nichts näher, als zur Orientierung eine Karte heranzuziehen. Das gab es im Business aber bisher nicht. Für Strategie gab es SWOT Analysen und Ähnliches. Simon Wardley hat dann über mehrere Wochen Kartografie fürs Business entwickelt, wie er in Kapitel 2 „Finding a path“ ausführlich beschreibt. Ich glaube die Wardley Maps sind in der Unternehmenswelt noch relativ unbekannt. Für Unternehmen, die sich auf die Reise machen, halte ich es für ein sehr wertvolles Werkzeug und ich werde mich in den nächsten Wochen sicher noch mehr damit beschäftigen.

Ebenfalls kartografiert hat priomy, eine Initiative der Unternehmensdemokraten rund um Dr. Andreas Zeuch. Priomy steht für Principles of Autonomy. Über 160 Unternehmen sind in der Culture Map verzeichnet. Selbstbestimmte Arbeit wird so sichtbar. Du und dein Unternehmen kann bei Priomy auch die Kultur checken lassen.

Eines dieser Unternehmen ist die Firma Gutmann Aluminium Draht. Die Krise 2009 hat dem Unternehmen stark zugesetzt. Nach 45% Umsatzeinbruch und dem Verlust vieler Arbeitsplätze war dem damaligen Geschäftsführer Paul Habbel klar, dass sich das Unternehmen auf die Reise machen muss. Auf die Reise zu mehr Unternehmer:innen bei Gutmann. Habbel wollte die Struktur grundlegend verändern und die 130 Angestellten waren auf der Reise ohne klare Route dabei. Heute werden unter anderem Entscheidungen dank Konsententscheid besser getroffen. Unternehmen wie Gutmann gibt es in Deutschland viele – Mittelstand, Industrie, analoges Geschäftsmodell. Viele davon werden sich auf die Veränderungsreise machen müssen. Wie gut, dass man sich von solchen Beispielen inspirieren lassen kann.

Wir müssen digitalisieren!

Wir müssen digitalisieren – Ein bekanntes Bild aus vielen Unternehmen?

Apropos analoges Geschäftsmodell – in vielen Unternehmen hallt dieser Tage der Ruf nach Digitalisierung durch die Büros und Werkshallen. Für alle, die in dieser Situation stecken, bietet sich das Buch „Digital Navigator“ von Thomas Mohr an. Ich habe bisher nur ins erste Kapitel lesen können, doch das hat Neugier auf das restliche Buch geweckt. Thomas Mohr beschreibt die fünf Hauptherausforderungen und das Dilemma in dem viele Firmenlenker stecken.
Unter anderem ist das eine latente Disruptionsgefahr. Plötzlich kann ein völlig neuer Mitspieler auf dem Markt mit Hilfe einer einfachen Lösung das etablierte Geschäftsmodell zum Wanken bringen. Dazu kommt ein riesiges Knäuel an Technologien – Clouds, zahlreiche Funkstandards und neuronale Netze sind nur ein paar der Beispiele. Und ständig kommen neue Technologien und Begrifflichkeiten hinzu. Dem Maschinenbauer klingeln bereits ab jetzt aufgrund der Akronyme die Ohren.
Um die babylonische Sprachverwirrung auf die Spitze zu treiben, kommt noch das unterschiedliche Sprachverständnis beim Begriff Digitalisierung on top. Reden wir über digitale Geschäftsmodelle? Oder geht es „nur“ um einen digitalen Vertriebskanal für das bestehende Geschäft? Wollen wir interne Prozesse wie z.B. Abrechnungen automatisieren? Vielleicht möchte man aber auch eine digitale Produktion, um Ausschuss und Standzeiten zu reduzieren? Der Navigator versucht die Verwirrung aufzulösen und ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. Damit fällt es leichter, die unterschiedlichen Reiseoptionen zu klären.

Beim Nachdenken über digitale Geschäftsmodelle und dem Blick in mein Bücherregal bin ich beim „Digital Innovation Playbook“ von Dark Horse hängen geblieben. Im Buch ist von Spielerfiguren die Rede. Eine davon ist der Entdecker. Entdecker wissen noch nicht genau, wo sie anfangen sollen. Sie haben ein unbestimmtes Gefühl für innovatives Potential. Klingt nach der Situation am Anfang einer Reise. Genau da setzt das Explore Modul des Playbook an. Mit dem „Research Mind Map“ gelingt eine erste Kartografie beim Innovationsvorhaben in der digitalen Welt. Begriffe werden dabei assoziert, kategorisiert und im Anschluss priorisiert.

Ok, cool. Funktioniert bestimmt super bei den hippen Buden aus Berlin und dem Valley. Aber was ist denn mit den Gutmanns dieser Welt? Das funktioniert auch da. Einen Mittelständler habe ich kürzlich im Capital Podcast „Alles neu“ gefunden. In der Folge „Wer braucht eigentlich Digitallabore?“ spricht Christian Baier über NEDGEX. Das ist das Innovationslabor der NETZSCH-Gruppe, die unter anderem Pumpen und Mühlen herstellen. NEDGEX findet man in Selb, tiefstes Oberfranken und nicht gerade als Boomregion bekannt. Doch offensichtlich wird dort alles andere als Innovationstheater gespielt. Ich weiß zwar nicht ob das Digital Innovation Playbook benutzt wird, die Spielertypen Gestalter und Evaluierer findet man sicher bei NEDGEX. Eine weitere Inspirationsquelle für deine Reise in die digitale Welt.

Lass uns gründen!

Auf der Suche nach dem Unicorn Business Model

Es machen sich nicht nur etablierte Unternehmen auf die Reise. Auch ein Unternehmen das gerade gegründet hat oder eine Gruppe von Menschen, die gründen möchten, machen sich auf eine Reise. Wie kommen die zu ihrem Ziel?

Eine Inspirationsquelle ist der Arbeitsphilosophen-Podcast von Frank Eilers. Der aktuelle Schwerpunkt ist „Neu und kreativ“ und das passt doch perfekt als Inspiration für junge Unternehmen, die am Anfang Ihrer Reise stehen. Zum Beispiel kannst du dich von der Episode mit Victoria Noack inspirieren lassen. Die junge Gründerin steht mit ihrer App HealthMe noch am Anfang ihrer Reise. Aber auch die Solo-Episoden von Frank Eilers bieten jede Menge Denkanstösse. In „Steal like an artist!“ spricht Frank über das Buch „Alles nur geklaut“ von Austin Kleon und macht Mut, dass man sich auch ohne Jahrhunderterfindung auf den Weg zum Erfolg machen kann. Abschließend möchte ich dir noch die neueste Episode aus dem Themenschwerpunkt ans Herz legen. Heiko Bartlog spricht über Vernetzung, Prinzipien von Effectuation und Zufälle. Definitive Hörempfehlung für alle, auf deren Reise nicht alles geplant sein muss.

Ein weiterer Impuls aus der Session am PMCamp war das Business Model Canvas (BMC) von Alex Osterwalder:

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Video-Link: https://vimeo.com/78350794

Eigentlich passt das Business Model Canvas gut in die Rubrik „Reiseplanung“. Es taugt aber genauso für die Frage nach dem Ziel der Reise. Es gibt mittlerweile zahlreiche Beispiele wie der Business Model Canvas bekannter Unternehmen aussieht. Zum einen wäre da das Business Model von Nespresso, erklärt von Alex Osterwalder himself. Wenn du dich fragst, wie du möglichst viele Kunden erreichst, könnte auch dir der Weg über Retailer auf deiner Reise helfen. Bist du eher im B2B-Business unterwegs? Dann schau dir an, wie Gore Fabrics Wert für ihre Kunden schafft. Weitere Beispiele findest du im Artikel von deutsche startups, über den ich auf die beiden anderen Videos gekommen bin.

Im B2B-Business sind auch Niklas Volland und Christian Schieber unterwegs. Sie haben 2015 bytabo gegründet und ich konnte einen Teil ihrer Reise verfolgen. Mit ihrem Startup begleiten sie mittelständische Unternehmen in die digitale Zukunft. Nach fünf Jahren sind sie immer noch auf der Reise den Mittelstand zu verstehen. Dafür trafen sie sich kürzlich in Bonn mit Professor Hermann Simon. Hast du auch noch nicht von ihm gehört? Dann geht es dir wie mir. Er hat das Konzept der Hidden Champions eingeführt, und die dürften jedem ein Begriff sein. Aber zurück zu Niklas. Sein Statement aus Learning of the Week #22 ist eine großartige Inspiration (nicht nur) für junge Gründer:innen, die sich auf die Reise in die Zukunft machen:

Wenn man offen dafür ist, Neues zu lernen, Feedback mitzunehmen und sich für das Handeln dieser Menschen zu begeistern, sind solche Gespräche immer eine zutiefst bereichernde Erfahrung.

Die wöchentlichen Learnings von Niklas helfen vielleicht auch dir auf dem Weg zur Gründung und danach. Das Gespräch mit Professor Simon wurde übrigens im Digitalgalaxie Mittelstand Podcast veröffentlicht und ist nicht nur für Mittelständler hörenswert, sondern auch wenn du Kunden im Mittelstand hast.

Und nun?

Mit Sicherheit gibt es noch viele andere Inspirationsquellen und Möglichkeiten, wie man das Ziel einer Reise in die Zukunft bestimmen kann. Trotzdem höre ich immer wieder, dass es an Orientierung und Inspiration am Start dieser Reisen fehlt. Deswegen bist du jetzt an der Reihe:

  • Ähnelt eine der drei Szenen der aktuellen Situation in deinem Unternehmen? Welche Inspirationsquellen haben dir geholfen?
  • Oder macht sich dein Unternehmen auch auf eine Reise in die Zukunft, aber du findest dich nicht in den drei Szenen wieder? Magst du deine Situation beschreiben oder/und würdest dich über ein unabhängiges Paar Augen und Ohren freuen? Dann schreib mir gerne eine Email oder persönliche Nachricht auf einem meiner sozialen Kanäle.
  • Karten geben auch bei der Reise von Unternehmen Orientierung. Nutzt du schon Wardley Maps? Oder kennst du gar noch andere Arten von Kartografie für Unternehmen?

Ich freue mich über Feedback in den Kommentaren oder in den sozialen Medien. Der nächste Schritt in dieser Mini-Blogserie dreht sich um die Frage „Wie bestimme ich mein Ziel?“. Weil das Thema ja Reise ist, werde ich mit dem Schreiben auch auf Wanderschaft gehen und auf einem anderen Blog veröffentlichen. Wenn du also Gastgeber für einen der nächsten drei Teile sein möchtest, dann melde dich gerne.

PS: Vielen Dank an die Teilnehmer meiner Session auf dem PMCamp Berlin für die vielen Inputs und Inspirationen. Ich hätte Anfang September nicht gedacht, wie viel ich im Nachgang noch dazulerne. Und dabei war das erst Teil 1 von 4.

PPS: Die drei Szenen sind mit Scenes von SAP AppHaus gemacht. Ein Werkzeug, das ich in einer anderen Session beim PMCamp kennengelernt habe.

Work created with Scenes™ by SAP AppHaus (https://experience.sap.com/designservices/scenes)