Brief aus dem Jahr 2025

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Sladjan Lazic, der Karriereboss, fragt in seiner aktuellen Blogparade Wie möchtest Du in der Zukunft arbeiten?. Dazu fiel mir spontan mein Brief aus der Zukunft ein, den ich mir im Rahmen der intrinsify.me Email-Challenge vor kurzem selbst geschrieben habe. Ich habe den Brief etwas erweitert und umformuliert. Jetzt beschreibt er wie ich mir Arbeit in Zukunft vorstelle, aber auch meine ganz persönliche Vision.

Brief aus dem Jahr 2025

Lieber Tobias,

es ist Mittwoch der 30.4.2025. Ich sitze gerade gemütlich auf dem Balkon und läute mit einer leckeren Flasche Craft-Beer das „Wochenende“ ein! Die nächsten vier Tage geht es nach Barcelona. Du denkst jetzt sicher, das ist ein verlängertes Wochenende. Aber das Wochenende gibt es nicht mehr. Ich unterscheide nämlich nicht mehr zwischen Arbeit und Freizeit.

Du hast dich ja damals schon gefragt, welche Tätigkeiten jetzt eigentlich Arbeit und welche Freizeit sind. Spülmaschine einräumen und Müll rausbringen haben sich immer schwer nach Arbeit angefühlt, passierten aber in der Freizeit und waren unbezahlt. Der Blogartikel zum Thema Innovation entstand in der Freizeit, hat viel Spaß gemacht und fühlte sich nicht nach Arbeit an. Du konntest du ihn aber später auch für deinen Arbeitgeber nutzen. Also doch Arbeit? Und dann waren dann noch die zahlreichen Stunden, in denen du Kindern in der MINT-Garage das Programmieren beigebracht hast. Organisiert wurde das vom Arbeitgeber, fand aber am Samstag in der Freizeit statt. Lehrer würden dafür bezahlt, dir reichte schon die Freude der Kinder als „Lohn“. 

Apropos Lohn, jetzt willst du sicher wissen wie heute mein Einkommen aussieht. Erstens bin ich immer noch im Konzern angestellt. Allerdings nicht mehr 38,5 Stunden die Woche, sondern nur noch 30 Stunden im Monat. Dafür gibt es dann ein Grundeinkommen von 1000 EUR. Das Konzept hattet ihr Euch in einer Session auf dem 5. Konzernwevent einfallen lassen. Die Automatisierung schritt immer weiter voran und stetig rationalisierten Unternehmen Arbeitsplätze weg. Warum die Menschen nicht einfach alle weiter im Unternehmen beschäftigen und dafür die Arbeitszeit und das Einkommen soweit reduzieren, dass die Grundbedürfnisse trotzdem noch gedeckt werden? Es kostete Euch einiges an Überredungskunst dieses Experiment zu wagen. Schnell stellte sich aber heraus, dass alle Beteiligten gewannen. Die Unternehmen profitierten enorm von der Flexibilität der großen Belegschaft. Dank Automatisierung waren die Fixkosten pro Mitarbeiter mittlerweile so gering, dass es keine große Bürde war einen mehr oder weniger zu beschäftigen. Die Angestellten erbrachten Höchstleistung. Aufgrund ihrer zahlreichen Nebentätigkeiten kamen stets neue Perspektiven ins Unternehmen und entwickelten das Unternehmen stetig weiter. Der Staat belohnte das Konzept mit steuerlichen Vorteilen, denn er ersparte sich ebenfalls einiges an Kosten (Arbeitslosengelder und Arbeitsagenturen). Das bedingungslose Grundeinkommen braucht es jetzt eigentlich gar nicht mehr.

Neben meiner Anstellung im Konzern biete ich Innovationsworkshops an. Dir hat es ja damals schon in deinem Unternehmen enorm viel Spaß gemacht. Warum sollte man eine solche Tätigkeit auf wenige Stunden im Monat beschränken? Irgendwann habe ich diese Leistung deshalb auch anderen Unternehmen angeboten. Gemeinsam das Kundenproblem verstehen, Lösungsideen sammeln, bewerten, weiterentwickeln und testen, ob es am Markt funktioniert. Die Energie ist immer wahnsinnig hoch und es macht einfach Freude, mit so hoher Geschwindigkeit und ohne Blindleistung Resultate zu erzielen. Auch wenn man am Ende des Workshops erkennt, dass das Produkt nicht am Markt bestehen wird, ist das ein Erfolg. Wie Arbeit fühlt sich diese Tätigkeit übrigens nie an. 

Auch meine zweite Leidenschaft, das Präsentieren, habe ich zur Profession gemacht. Wieviel ich damit verdiene ist höchst unterschiedlich. Übermorgen steht meine Keynote auf dem europäischen Innovationssymposium an. Dadurch habe ich mir meine Reise nach Barcelona verdient und kann mir auch noch leckere Tapas und Weinchen in den diversen Bodegas leisten. Ich mache es aber auch oft pro bono. Das Motto „Teilen macht reich“ hat sich viele Male bewahrheitet. Kürzlich hat einem Weinbauer mein Vortrag „Wer jede Wolke fürchtet“ so gut gefallen, dass er mich in seine Heckenwirtschaft eingeladen hat. Der Abend war so lustig und lecker, das kannst du dir für kein Geld der Welt kaufen. Das hättest du dir beim Schreiben des entsprechenden Blogbeitrags vermutlich nie erträumt 😉

Mit Kindern arbeite ich übrigens immer noch. Das Kultusministerium hat es leider noch nicht geschafft, das Schulsystem zukunftsfähig zu transformieren. Statt über die Politik zu meckern, haben wir einfach gemacht. Mit den Kids machen wir jetzt statt Samstagsterminen in der MINT-Garage Projektarbeit über mehrere Wochen. Du glaubst nicht wie schnell so Naturwissenschaften, Entrepreneurship und globale Zusammenarbeit erlernt werden. Bezahlt werden wir dafür nicht. Die Freude der Kinder und das Gefühl etwas für die Gesellschaft zu tun sind Lohn genug. Und außerdem wirkt es sich positiv auf meinen Gemeinwohl-Index aus, eine neue Kennzahl.

Über das Thema Gemeinwohl erzähle ich dir ein anderes Mal mehr. Ich muss jetzt nämlich Schluss machen und noch Koffer packen.

Viele Grüße aus dem Jahr 2025,
Dein Tobias

Und du so?

Ob und wann diese Vision Wirklichkeit wird, weiß ich nicht. Ich werde aber darauf hinarbeiten. Was hältst du davon? Findest du es erstrebenswert oder eher unattraktiv? Sozialromantik oder in Teilen vielleicht schon längst Realität? Wie würde dein Brief aus 2025 aussehen?

Ich bin gespannt über dein Feedback im Kommentar, in den sozialen Medien oder per Email an [email]tobias@companypirate.de[/email].